Unvergessen ist der Absturz von einem
Baugerüst, das am Rohbau unseres zukünftigen Hauses stand. Immer
und immer wieder haben meine Eltern mich gewarnt auf der Baustelle,
die gleich neben unserem damaligen Wohnsitz lag, zu spielen. Das geht
bei einem achtjährigen Bengel natürlich zu einem Ohr hinein und
ungehört zum anderen Ohr hinaus, die Verlockung so einen Ort als
Spielplatz zu nutzen ist einfach zu groß. Eines Tages verstieß ich
wieder mal gegen die Vorgaben meiner Erziehungsberechtigten und
nutzte das Baugerüst als Kletterstangen. Ich hangelte mich in
Affenmanier von Strebe zu Strebe, bis ich plötzlich abglitt, fiel
und mit meinem linken Auge auf einem großen Stein landete. Das Blut
pumpte unaufhörlich, mein Geschrei war groß und meine Eltern in
kürzester Zeit bei mir. Der Vater versohlte mir als erstes den
Hintern, das war wohl dem Schock geschuldet, den er durch meinen
Anblick erlitten hatte. Dann packte er mich ins Auto und fuhr
umgehend zum Krankenhaus, in dem die Augenbraue genäht und nichts
bleibendes diagnostiziert wurde.
Ein anderes Mal passierte ähnliches an
einem schneereichen Wintertag. Wenn es die Witterung zuließ, wurden
die Familien- und Nachbarskinder zusammen getrommelt und deren
Schlitten der Länge nach hinter das Auto meines Vaters gebunden.
Dann zog er uns in langsamer Fahrt über die Feldwege Großburgwedels,
es war immer eine grandiose Gaudi. Etliche Male ging es gut, bis ich
eines Tages, als letzter der Reihe, vom Schlitten kullerte. Fröhlich
rappelte ich mich hoch, rannte hinter meinem Untersatz her und wollte
mich gerade bäuchlings auf ihn werfen, da machte das Auto einen
kurzen Satz. Ich sprang daneben, wieder mit dem linken Auge auf einen
Stein und wieder blutete es als wäre mir der halbe Kopf weg
gerissen. Dann folgten wie gehabt die Fahrt ins Krankenhaus und das
vernähen der Wunde.
Gelegentlich landete ich auch ohne
eigene Schuld im Krankenhaus, in diesem Fall als Neunjähriger. Es
ging um meine Tonsillen, umgangssprachlich auch Mandeln genannt, sie
waren entzündet. In einem Abwasch wurde meine drei Jahre jüngere
Schwester gleich mit eingeliefert, so lagen wir zusammen mit mehreren
anderen Kindern in einem großen Saal. Die Tage nach der Operation
bekamen wir Eis und gekühlten Himbeersaft satt, es war wie im
Schlaraffenland. Das Essen dagegen behagte mir nicht, der
Schluckbeschwerden wegen wurde nur Mus in allen Variationen serviert,
das genauso schmeckte wie es aussah. So gingen die Teller gänzlich
unberührt wieder zurück in die Küche und ich hielt mich ans Eis.
Unsere Eltern kamen fast jeden Tag zu Besuch und mittlerweile vom
Hunger gepeinigt wünschte ich mir von ihnen, dass am Tage meiner
Entlassung „10 Brötchen von Bäcker Henke und 200 Gramm
luftgetrocknete Mettwurst von Rewe“ zu Hause auf mich warten. Als
wir dann nach gefühlt unendlichen Tagen abgeholt wurden und ich auf
die Rückbank unseres Familien-Fords kletterte, lagen dort eine Tüte
mit Brötchen und ein kleines Paket mit der Salami, was ich sogleich
überglücklich zu verzehren begann. Seitdem weiß ich das Liebe
tatsächlich auch durch den Magen geht.
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