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Das Auge des Tigers

Es gibt wohl keinen Ort in unserem schönen Lande, in dem nicht ein Störenfried sein Unwesen treibt. Auch mein Geburtsort war vor solchen Menschen nicht gefeit, herausragend ist diesbezüglich eine Gestalt namens Uwe Koch zu nennen. Zum ersten Mal hörte ich von besagtem Uwe nach meiner Einschulung 1967 in der Grundschule. Er besuchte eine höhere Klasse und verbreitete Angst unter den ABC-Schützen. Erpressungen und Drohungen gegen Schwächere waren sein Markenzeichen, jeder Schüler hatte Furcht vor diesem schon in jungen Jahren brutal agierendem Typen.

Als Uwe Koch älter wurde, ging er schnell als dümmster Kleinkrimineller unseres Dorfes in die Annalen der Polizei ein. Bei einem Einbruch in den kirchlichen Kindergarten, indem er lediglich ein paar Pfennige aus der Kaffeekasse erbeutete, verlor er seine Ausweispapiere. Ein anderes Mal stieg er in den Lagerschuppen des örtlichen Zoohauses ein und stahl unter anderem eine ganze Lieferung von Schneeschiebern. Die Polizei kam ihm schnell auf die Spur, weil er an den Türen seiner Nachbarn klingelte und die Schneeschieber zum Verkauf anbot. Im Hochsommer!

Eines Tages – ich muss 17 Jahre alt gewesen sein - kam meine drei Jahre jüngere Schwester weinend nach Hause. Auf meine Frage hin gestand sie, dass Uwe Koch sie angebaggert hat und mit ihr gehen wollte. Sie lehnte dankend ab und erhielt dafür von ihm eine Ohrfeige. Das war zu viel, ich begab mich schnellstens in die Gaststätte „Zum guten Happen“, dort sollte er sich laut meiner Schwester aufhalten. Nach betreten des Laden stellte ich mich an den Tresen und beobachtete Uwe Koch, wie er große Reden schwang und alle um ihn herum angstvoll Interesse heuchelten. Irgendwann musste er den Getränken, die er zu sich nahm, Tribut zollen und die Toilette aufsuchen. Der Weg dorthin ging abwärts über eine kleine Treppe, die bis zum Herrenklo führte. Ich folgte ihm und wartete geduldig außen vor der geschlossenen Tür, die sich nach einiger Zeit öffnete. Sofort holte ich aus und schlug mit aller Kraft zu, er taumelte und landete zwischen den Urinalbecken. Dort bekam er den Rest und die Aufforderung, meine Schwester künftig in Ruhe zu lassen.

Als ich wieder den Gastraum betrat, war ich ein Held. Alles klopfte mir auf die Schulter, ein Freibier jagte das nächste. Ich hatte die Gemeinschaft von einem Albtraum befreit. Seit diesem Zeitpunkt hatte keiner mehr Angst vor Uwe Koch...

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