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Statt feste feiern Stadtfeste feiern

Stadtfeste - Ein Fresstempel folgt dem nächsten, eine Bierbude nach der anderen, akustisch und lautstark untermalt von den verschiedensten Musikrichtungen. Die Innenstädte sind eine einzige Partymeile mit tausenden von Besuchern.

Das allererste Stadtfest erlebte ich 1979 als 18jähriger junger Mann in meinem Geburtsort Großburgwedel, ausgerichtet von der dort ansässigen IGK, der Interessengemeinschaft der Kaufleute. Im Vordergrund dieser Veranstaltung standen damals noch die vielen kleinen, überwiegend Inhabergeführten Geschäfte des Ortes, die sich in verschiedenen „Gewändern“ der Öffentlichkeit präsentierten. Jeder einzelne Laden bot ein individuelles Programm in Form von Geschicklichkeitsspielen, Schätzfragen, sportlichen Herausforderungen und vielem mehr. Mit etwas Glück und Können versuchte man sich beim Fingerhakeln, nahm an einem Zigaretten-Schnell-Dreh-Wettbewerb teil, ritt auf einem elektrischen Bullen, schätzte die Anzahl von Golfbällen in einem Glasbehältnis oder ergänzte den Wettkampf eines Fahrradhauses, das den schnellsten Mann von Großburgwedel kürte.

Auch mich verschlug es mit Freunden zu eben diesem Zweiradgeschäft, vor dessen Eingangstür ein Heimtrainer in Fahrradoptik auf seinen Bezwinger wartete. Die Aufgabe lautete, auf diesem Gerät innerhalb von fünf Minuten die meiste Anzahl von Kilometern abzuspulen. Zu gewinnen gab es die Titel „Schnellster Mann/Frau/Kind von Großburgwedel“ und jeweils ein funkelnigelnagelneues Fahrrad. Nach (m)einem Höllenritt hatte ich das gute Gefühl, zu den besten Fahrern zu gehören und da die Geschäftsführung zudem ein Fass mit Freibier anbot, entschied ich mich, bis zum Ende des Gewinnspiels am Ort des Geschehens auszuharren. Man muss sicher nicht erwähnen, dass ich dem Freibier mächtig zugetan war und als es zur öffentlichen Proklamation der Gewinner kam, war ich mit meinem Titel „Schnellster Mann“ und dem 1. Preis schon mehr schlecht als Recht auf dem Wege nach Hause. Die örtliche Zeitung berichtete in ihrer nächsten Ausgabe dann vorwurfsvoll: „Schnellster Mann war zu schnell“.

Zu den Stadtfesten in Großburgwedel war auch der NDR regelmäßig mit einer eigenen Bühne zu Gast und moderiert wurde viele Jahre vom NDR-Urgestein Carlo von Tiedemann. Zeitgenossen wissen, dass Carlo von Tiedemann zu dieser Zeit sehr dem Alkohol und Drogen zugetan war, Unarten denen er aber heute schon lange abgeschworen hat. Um das Jahr 1990 herum war Carlo mal wieder Moderator auf dem Burgwedeler Fest und hatte ein Zimmer im damaligen MeGa-Hotel gebucht, dem jetzigen Kokenhof des Hannover 96-Präsidenten Martin Kind. Dort trafen einige Freunde und ich ihn zu nächtlicher Stunde in der Bar und er lud uns auf ein paar Getränke ein. Irgendwann war Carlo so abgefüllt, dass er weder sprechen, noch sitzen und geschweige denn stehen und gehen konnte. Also packten ihn zwei von meinen Freunden rechts und links unter die Achseln, nahmen ihn in die Mitte und begleiteten ihn – halb zog es ihn, halb sank er hin - zu seinem Zimmer. Danach habe ich Carlo von Tiedemann nie wieder auf dem Stadtfest Großburgwedels gesehen...

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